Der Stoff für kreative Ideen
In der AFFENTOR MANUFAKTUR in Frankfurt werden einstige langzeitarbeitslose Frauen in den Berufen „Modenäherin“ oder „Modeschneiderin“ qualifiziert. Das Ergebnis sind ganz besondere, handgemachte Taschen mit dem Label AFFENTOR FRANKFURT. Und das in limitierten Editionen, hinter denen eine echte Geschichte steht.
Im Sommer 1988 entstand die Schneiderei der Werkstatt Frankfurt e.V., die damals Auftragsarbeiten der Stadt Frankfurt entgegennahm. Unter anderem stellte sie für Kindergärten und Schulen Artikel aus Nessel her, die von den Kindern bemalt und bedruckt werden konnten. Im Jahr 2002 zog die Schneiderei in den Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen, an die zwei historischen Wachhäuser, die sogenannten Affentorhäuser. Hier in der Schneiderei „Werkstatt Kunterbunt“ entstand die Idee, ein Projekt zum Thema Nachhaltigkeit und Recycling ins Leben zu rufen. Es sollten Taschen aus recycelten Materialien wie Altkleider- und Stoffspenden genäht werden. So entstanden zunächst Unikate, die man in einigen Läden auf Kommissionsbasis anbot. Das Interesse war da. Die Nachfrage wuchs. Deshalb wurde beschlossen, das Projekt professionell aufzuziehen. Nach rund fünf Monaten entstand das Taschenlabel AFFENTOR FRANKFURT und mit ihm das erste Modell Chou Chou.
Alttextilien in neuem Glanz
Im Jahr 2006 wurde der AFFENTOR-Shop eröffnet - in der Frankfurter Fahrgasse, die durch ein kreatives Umfeld aus Galerien, Antikläden, Architekturbüros, Bars und Cafés geprägt ist.
Die AFFENTOR MANUFAKTUR hat sich im Westen der Stadt, in Griesheim, angesiedelt. Bis heute gehört sie zur Werkstatt Frankfurt e.V., einem Unternehmen der Sozialwirtschaft und Frankfurts größtem Arbeitsmarktdienstleister, der arbeitslose Menschen qualifiziert. Hinter dem Namen „Frankfurter Weg zum Berufsabschluss“ steht eine bundesweit anerkannte Qualifizierung, bei der sich die Frauen in der AFFENTOR MANUFAKTUR in zwei Jahren auf die IHK-Prüfung zur Modenäherin oder in drei Jahren zur Modeschneiderin vorbereiten.
Diese Manufaktur hat schließlich die Produktion auf limitierte Kleinserien aus Reststoffen umgestellt. Dabei werden nur Stoffe ausgewählt, von denen man weiß, dass sie für die Taschen funktionieren und auch gefragt sind. In erster Linie werden Wollstoffe, Wollmischungen oder Polsterstoffe verwendet, die sich gut für die Fertigung von Taschen eignen. So steht das Label AFFENTOR FRANKFURT unter anderem für die klassischen Herrenwollstoffe Pepita, Hahnentritt, Fischgrät, Karo, die immer zur Mode passen.
Entwürfe von Jung-Designern und AFFENTOR-Mitarbeiterinnen
Gearbeitet wird nach eigenen Entwürfen, aber auch nach den Entwürfen von Jungdesignern Alle Entwürfe müssen immer ausgereifte Produktentwicklungen sein. Es ist ja eine ganze Abfolge von Schritten notwendig, bevor ein Produkt produziert und in Serie hergestellt wird. Es muss Probe getragen werden, das Schnittmuster muss stehen. Der Designer muss folglich richtig an dem Produkt und Design getüftelt haben.
Neben der Taschenproduktion hat sich die Näherei auch auf Kleinserien und Kollektionen von Jungdesignern der Bereiche Damenoberbekleidung und Kinderkonfektion spezialisiert. Die Aufträge für diese Kleinkollektionen kommen von Designern aus Frankfurt. Da die Modeszene hier sehr überschaubar ist, kennt man sich. Die AFFENTOR MANUFAKTUR übernimmt als Dienstleister das Nähen. Die Designer verkaufen die Produkte dann unter ihrem eigenen Label.
Zur Zusammenarbeit mit den Designern – sei es für die Taschenproduktion oder für die Herstellung kleiner Kollektionen – kommt es auf höchst unterschiedlichen Wegen. Das Taschenmodell „Carrie“ beispielsweise wurde von Julia Pasternak entworfen, die an der Kölner Designschule ecosign studierte und an einem Wettbewerb teilnahm, der von der Designschule und AFFENTOR FRANKFURT veranstaltet wurde. Pasternak gewann diesen Wettbewerb und sicherte sich als Preis einen Design-Vertrag mit AFFENTOR FRANKFURT.
Die vielen Namen der Kreativität
Taschen sind und bleiben auch das wichtigste Produkt von AFFENTOR FRANKFURT. Wenn es um das Image des Hauses geht, ist die Laptop-Tasche das zentrale Produkt. Die bestverkauften Taschen sind jedoch die Modelle James und Jimmy. James ist eine Umhängetasche in Hochformat, Jimmy gibt es im Querformat. Und so wie diese Taschen haben grundsätzlich alle Modelle des Hauslabels Themen und Namen, die vom Team entwickelt werden. So heißt die Laptop-Tasche für den Herrn „Heinrich“, die für die Dame „Mathilde“. Bei der Kollektion „Trip to Europe“ trugen die Taschen die Namen bekannter Sehenswürdigkeiten, Monumente, Plätze und Orte in Europa. Dann gab es eine Kollektion mit Namen von Literaten, Denkern und Philosophen. Und es gab auch schon die Themen Secret Garden, Entdecker oder Ahoi.
Stil. Nicht Mode.
Allein schon die ungewöhnlichen Namen, die besonderen Stoffe und die hochwertige Handarbeit sowie das Konzept der Nachhaltigkeit mit der Reststoffverarbeitung geben dem Label AFFENTOR FRANKFURT etwas Unverwechselbares. Etwas, das weit mehr als nur eine Tasche ist. Es ist nicht umsonst eine Tasche, die selbstbewusst für sich reklamiert „Stil, nicht Mode“ zu sein. Mode ist schnelllebig und von vorübergehenden Trends geprägt. Stil dagegen ist zeitlos und klassisch. Und das bedeutet Nachhaltigkeit. „Mit unseren Produkten kauft der Kunde einen wirklichen Mehrwert, eine echte Geschichte. Wer unsere Taschen kauft, unterstützt die Frauen, die an der Ausbildungsmaßnahme teilnehmen. Und jeder bekommt dafür eine handgefertigte Tasche aus einer limitierten Edition“, erklärt Renate Schmitt, Leiterin der AFFENTOR MANUFAKTUR und des Ladens. Zum Beweis hat jede Tasche einen Stempel, der die Produktnummer, Auflage und das Exemplar der Auflage ausweist.
Mit diesem Konzept gibt AFFENTOR FRANKFURT stets eine Frühjahr/Sommer- und Herbst/Winter-Kollektionen raus. Allerdings unterscheidet sich die Kollektion von der der Wettbewerber in der Modeindustrie. So kann sich die Manufaktur beispielsweise nicht an den üblichen Zyklus mit Sommer und Winter halten, schließlich werden Reststoffe verwendet. So weit möglich, werden jedoch Stoff- und Farbauswahl an die jeweilige Saison angepasst.
„In“ nicht nur in Frankfurt
Natürlich kommen auch regelmäßig Produktneuheiten auf den Markt. 2013 war es die Halbmondtasche „Frieda“, die intern vom Team entwickelt und am 1. Juli gelauncht wurde. Der Verkauf aller Modelle erfolgt über das Ladengeschäft in der Fahrgasse, den eigenen Online-Shop und eine Kooperation mit diversen Händlern. Darüber hinaus ist die Manufaktur auf zahlreichen Messen, wie der internationalen Modemesse Bread & Butter in Berlin, der Tendence und Ambiente in Frankfurt oder der Internationalen Lederwarenmesse in Offenbach vertreten. Aber auch auf den lokalen Verbrauchermessen ist AFFENTOR FRANKFURT dabei: Auf der Jamjam-Show in Frankfurt wurden exklusiv die iPad-Taschen vorgestellt. Und natürlich ist man in Frankfurt auch immer beim Museumsuferfest und nimmt am „Heldenmarkt“ im Bockenheimer Depot und bei „Stilblüten“, einem Festival für Mode und Design in Frankfurt, teil. Unterstützt wird der Verkauf durch die Kataloge, die als Newsletter und Mailing an Bestandskunden, Händler und die Presse verschickt und auf Facebook vermarktet werden.
Wo immer das Label AFFENTOR FRANKFURT präsentiert und vermarktet wird, überall gibt es sich modebewusst, individuell und sozial engagiert. Die Produkte sind eben weit mehr als nur eine Tasche. Sie sind aus einem Stoff, der eine echte Geschichte erzählt. Von Frankfurt. Kreativen Designs. Nachhaltigkeit. Sozialer Verantwortung. Und, und, und …
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